Brexit – was ist das eigentlich?

David Dürr – eigentümlich frei Juni 2019

Bei dem schrillen Hin und Her über Zeitpunkt und Modalitäten des britischen EU-Austritts fragte mich neulich mein Enkel, was das denn eigentlich sei, dieser „Brexit“. Ich versuchte es dann möglichst einfach auf den Punkt zu bringen:

„Es waren einmal in Europa viele Königreiche, grosse und kleine, reiche und arme, liebe und böse. Sie hatten immer wieder mal Streit miteinander und schlossen immer wieder mal Frieden. Einmal führten sie einen besonders schlimmen, weltweiten Krieg, weil einige grössere Reiche unbedingt die allergrössten sein wollten. Irgendeinmal ging aber auch dieser Krieg zu Ende und die vom Kampf erschöpften Könige und ihre Regierungen (in einigen Ländern waren es einfach Regierungen ohne Könige) versprachen einander, sich nun wirklich nie mehr zu bekriegen. Weil Regierungen aber gar nicht anders können, als andere zu bekriegen, verlegten sie ihre Kriegslust von da an ins Innere ihrer Länder. Statt andere Staaten zu unterwerfen, gingen sie daran, nun immer mehr die eigenen Untertanen zu unterwerfen.

Das wiederum wollten die Untertanen aber gar nicht. Im Gegenteil: Nach all den Kriegsentbehrungen, die ihnen ihre Regierungen beschert hatten, wollten sie nun endlich frei sein, frei herumreisen, freien Handel treiben und sich frei dort niederlassen, wo es ihnen passte. Weil dies aber die Unterwerfungsstrategie der nationalen Regierungen störte, schlossen sich diese zu einem internationalen Unterwerfungskartell zusammen. Wie üblich bei Kartellen gaben sie sich nach aussen sympathisch liberal und behaupteten gar, Freizügigkeit zu fördern. In Tat und Wahrheit bezweckten sie aber einzig, die den Einzelstaaten entgleitende Kontrolle auf übernationaler Ebene wieder zu festigen. Dieses Kartell wechselte mehrfach den Namen, heute heisst es „Europäische Union“ oder kurz „EU“ und ist ausgesprochen erfolgreich: Es hat in Brüssel eine Bürokratie aufgebaut, die Privatpersonen und Unternehmungen täglich spüren lässt, dass sie Untertanen sind. Und besonders hohe Bussen verhängt das EU-Kartell dann, wenn private Unternehmen es wagen, sich ebenfalls zu einem Kartell zusammenschliessen. Machtkonzentrationen hat die EU gar nicht gern, ausser natürlich der eigenen. Sie ist also auf gutem Weg, ein gesamteuropäischer Überstaat zu werden.

Auf diesem Weg passierte nun aber kürzlich eine ungeplante Panne. Ein unbedarfter britischer Regierungschef kam – aus rein wahltaktischen Gründen – auf die Idee, seine Untertanen zu fragen, ob sie die Behinderungen durch das EU-Machtkartell eigentlich gut fänden. Nicht wirklich unerwartet sagten diese dann nein und verlangten damit das Ausscheren aus dem EU-Machtkartell, den „Brexit“ eben. Das war natürlich nicht im Sinn der Machtträger, weshalb sie den unbedarften Regierungschef postwendend durch eine Gegnerin des Kartellaustritts ersetzten. Sie hat nun die Aufgabe, den Austritt derart dämlich anzugehen, dass möglichst wenig von ihm übrig bleibt. Und sollte sich eine Loslösung aus dem europäischen Machtkartell trotzdem nicht verhindern lassen, so soll sie wenigstens dafür sorgen, dass nahtlos wieder das nationale Machtkartell in die Bresche springt, mit eigenen Schikanen, Grenzkontrollen und Zöllen – nicht dass plötzlich doch noch so etwas wie Freiheit Einzug hält!“

Meinem Enkel schien dies einzuleuchten.


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