Rettung einer Grossbank
David Dürr – eigentümlich frei / Mai 2023
„Systemrelevanz“ als Freikarte für Misswirtschaft
In der Schweiz ist der Staat wieder einmal daran, eine Grossbank zu retten. Das macht der Staat dort immer mal wieder.
Vor ein paar Jahren war es die UBS; hervorgegangen aus einer Fusion zwischen den zwei noch etwas weniger grossen Grossbanken Schweizerischer Bankverein und Schweizerische Bankgesellschaft. Der Koloss UBS war dann im Schutz zunehmender staatlicher Regulierung und damit abgeschottet gegen ernsthafte Konkurrenz in Schieflage geraten. Es hätte dann eigentlich das geschehen müssen, was natürlicherweise bei Misswirtschaft geschieht, nämlich sämtliche Gläubiger zusammenzurufen – man nennt dies Konkurs – mit ihnen abzurechnen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Doch davor meinte der Staat die UBS schützen zu „müssen“, wozu ihm die Zauberwörter „Systemrelevanz“ und „too big to fail“ einfielen. Also griff er in seine Steuergeldschatulle und die Druckvorräte seiner Nationalbank und investierte unter verschiedenen Titeln 60 Milliarden Franken in die Rettung der UBS. Verantwortlichkeiten waren kaum ein Thema. Das war im Jahr 2008.
Jetzt neustens, im Jahr 2023, geht es um die Credit Suisse (CS); auch sie hervorgegangen aus einer Fusion zwischen zwei noch etwas weniger grossen Grossbanken, nämlich der Schweizerischen Kreditanstalt und der Schweizerischen Volksbank. Auch der Koloss CS geriet im Schutz immer dichterer staatlicher too big to fail-Regulierung alsbald in Schieflage. Denn im Wissen um ihre „Systemrelevanz“ und somit um Aussicht auf staatliche Rettung brauchte sie sich um Risiken nicht ernsthaft zu kümmern. Folglich kamen immer grössere Verlustgeschäfte zum Vorschein mit dem Effekt, dass sich immer mehr Kunden von der CS zurückzogen. Und so hätte wiederum das geschehen müssen, was natürlicherweise bei Misswirtschaft geschieht, nämlich sämtliche Gläubiger zusammenzurufen, mit ihnen abzurechnen – Konkurs eben – und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.
Doch erneut springt der Staat ein. Inzwischen setzt er nicht nur 60, sondern 259 Milliarden ein, wiederum im Tandem mit seiner Nationalbank und unter verschiedenen Titeln. Um vom erneuten Sündenfall abzulenken, tut man so, wie wenn die UBS (die hat sich inzwischen erholt) die CS schlucken würde, das Geld dafür und eine kräftige Risikoabdeckung kommen aber vom Staat. Im Ergebnis gibt es in der Schweiz jetzt nur noch eine einzige, aber riesengrosse Grossbank, hervorgegangen aus den früheren gesamtschweizerischen Grossbanken Bankverein, Bankgesellschaft, Volksbank und Kreditanstalt; diese Riesengrossbank ist für die kleine Schweiz so systemrelevant wie noch keine vor ihr, und diesen Koloss in Konkurs fallen zu lassen, könnte nun wirklich gefährlich werden.
Zudem hat sich die Wahrscheinlichkeit eines Konkurses erhöht. Denn ausgestattet mit einer derartigen Systemrelevanz und damit dem schon heute sicheren Anspruch auf jederzeitige Rettung durch den Staat, wird sie Risiken kaum so ernst nehmen, wie sie müsste. Und eine nächste Rettung wird nicht nur lachhafte 259 Milliarden kosten.
Und Verantwortlichkeiten? Im Moment wird dies lauthals debattiert. Als Hauptschuldigen haben Medien und Politiker das Top Management im Visier, das mit viel zu riskanten Geschäften viel zu hohe Boni erschwindelt habe und diese nun zurückzahlen soll. Den wahren Verursacher des ganzen Debakels nennt aber niemand, jenen selbstherrlichen Akteur, der sich bemüssigt fühlt, die so effizienten wie gerechten Korrekturmechanismen des Marktes auszuschalten, der sich als oberster Lenker des wirtschaftlichen Geschehens aufspielt und dabei einen ausgesprochen schlechten Job macht – den Staat.