Die fundamentale Absurdität staatlicher Gesetzgebung


David Dürr - eigentümlich frei 24.02.2015



Dass der Staat sich nicht nur aus Wohlstandsförderung und Wirtschaftsregulierung heraushalten sollte, sondern auch aus dem ganzen Bereich des Rechts, ist selbst bei hartgesottenen Liberalen keine Selbstverständlichkeit. Im Gegenteil: Gerade weil ihnen Eigentums- und Persönlichkeitsrechte so sehr am Herzen liegen, befürworten sie meist eine starke Durchsetzungsinstanz und damit das staatliche Gewaltmonopol. Und um zu klären, was genau es denn zu schützen gelte, brauche es auch eine Instanz, welche die entsprechenden Regeln aufstelle; im Sinn des Wortes also einen Gesetz-Geber, konkret die staatliche Legislative.

Dagegen lässt sich allerdings vieles einwenden. Zum Beispiel, dass staatliche Gesetzgebung ineffizient abläuft und qualitativ schlechte Gesetze produziert; dass sie demokratisch überhaupt nicht legitimiert ist; dass sie massiv für die eigenen Interessen der Staatskaste missbraucht wird und dass sie – vor allem auch in Kombination mit dem Gewaltmonopol – zu einer totalitären unfreiheitlichen Gesellschaftsstruktur führt. Hier vorliegend geht es nun aber vor allem um etwas anderes, nämlich dass staatliche Gesetzgebung absurd ist, und zwar fundamental absurd. 

 

Die Rule of Law

Holen wir für diese fundamentale Gedankenführung etwas aus zu Grundprinzipien des wissenschaftlichen Umgangs mit der Wirklichkeit. Hier stossen wir auf ein Prinzip, das heute jenseits aller Fach- und Theoriendifferenzen anerkannt ist: nämlich dass die Welt als Naturphänomen regelgeleitet funktioniert, dass ihre Zusammenhänge und Abläufe natürlichen Gesetzmässigkeiten folgen (statt vieler Stephen Hawking, The Grand Design, 2010). Dieses auch „Rule of Law“ genannte Wissenschaftsprinzip unterscheidet sich von älteren Betrachtungsweisen, die Naturabläufe auf Willkür zurückgeführt hatten, namentlich auf die Willkür Gottes; auf eine Instanz mithin, die aus eigenem ungebundenem Willen bestimmt, ob die Natur nun so oder eben anders daher kommen soll. 

Nun gibt es auch die „Rule of Law“ der Rechtswissenschaft. Sie umschreibt jenes rechtspolitische Grundprinzip, das in der Neuzeit dem monarchistischen Absolutismus abgerungen wurde und das seither als Grundmaxime des modernen Rechtsstaats beschworen wird. Diese Rule of Law besagt, dass sich staatliches Handeln nach Recht und Gesetz richten soll und nicht nach Willkür, namentlich nicht nach der Willkür von Machtträgern, die aus eigenem ungebundenem Willen bestimmen, ob die Gesellschaftsordnung nun so oder eben anders daher kommen soll. 

Die Parallelität zwischen jener wissenschaftstheoretischen und dieser juristischen Rule of Law ist nicht einfach sprachliche Assoziation, sondern Ausdruck eines bedeutsamen inneren Zusammenhangs. Denn

  •  wenn es zutrifft, dass die Welt als Naturphänomen nach Gesetzmässigkeiten abläuft,

  •  und wenn es ebenfalls zutrifft, dass der Mensch und seine Sozialordnung Teile eben dieser Welt sind,

  • dann „braucht“ es keine Gesetzgebung. Dann sind Gesetze da, als Naturphänomen des menschlichen Verhaltens im Kontext seiner Sozialordnung, gleich wie die Schwerkraft, die Elektromagnetik und die beiden Wechselkräfte als Naturgesetze der Physik. So wenig bei diesen Raum für willentliches Handeln eines Gottes besteht, so wenig dort für willentliches Handeln eines Gesetz-Gebers.

Damit ist nun der Staat in eben dieser Rolle sehr grundsätzlich in Frage gestellt: Soweit die von ihm erlassenen „Gesetze“ natürliche Verhaltens-Gesetzmässigkeiten abbilden, sind sie unnötig, soweit sie davon abweichen, sind sie falsch. Oder anders ausgedrückt: Gesetz-Gebung durch staatliche Organe birgt nicht nur die bekannten, eingangs erwähnten Schwächen ihrer prekären demokratischen Legitimation, ihrer wirtschaftlichen Inneffizienz und ihrer gefährlichen Missbrauchsanfälligkeit, sondern ist vor allem und in aller Grundsätzlichkeit absurd. Genau gleich, wie es absurd wäre, die Schwerkraft, die Elektromagnetik und die beiden Wechselkräfte vorzuschreiben.

 

Natürliches Recht als Alternative

Das schliesst aber nicht aus, sich mit solchen Naturgesetzmässigkeiten professionell und wissenschaftlich zu befassen. Wie der Ingenieur Naturgesetze der Physik in nützliche Abläufe oder Geräte umsetzt, so lässt sich auch mit Naturgesetzen des menschlichen Verhaltens arbeiten. Da lassen sich geeignete Verfahrens-, Entscheidungs- oder auch Durchsetzungsabläufe entwickeln und etwa als Dienstleistungen der Konfliktlösung marktwirtschaftlich anbieten. Jedenfalls braucht es auch hier, gleich wie beim Ingenieur, den typisch naturwissenschaftlichen Blick, dem es um Erklären und Verstehen geht, manchmal um Behaupten und Streiten, aber nie um Vorschreiben.

Denn natürliches Recht ist nicht darauf angewiesen, vorgeschrieben zu werden. Es gilt, weil es gilt. Haben Sie schon einmal erlebt, was passiert, wenn ein Übergriff geschieht, zum Beispiel einer den anderen niederschlägt? Da läuft Erstaunliches bei den zufällig Vorbeigehenden ab: Da bleiben ausnahmslos alle stehen und schauen wie gebannt zum Geschehen, einige rennen hin, um dem Opfer zu helfen oder den Täter zu stellen, andere rufen um Hilfe oder bringen mit lautem Schrei oder auch nur mit ersatzweiser Gestik ihr Entsetzen, Mitgefühl oder Missfallen zum Ausdruck. Und all dies, noch bevor sie zu denken beginnen. Hinterher, bei kühlerem Kopf, werden sie über ihr eigenes Verhalten erstaunt sein und von einem spontanen und äusserst starken Drang berichten, sich für das wehrlose Opfer einzusetzen. – Das ist Recht, nicht staatlich verordnetes, sondern natürliches Recht.

Nun mag es ja nicht weiter stören, wenn der Staat das, was ohnehin abläuft, auch noch etwas wichtigtuerisch „befiehlt“. Problematisch wird es aber, wenn er etwas vom natürlichen Recht Abweichendes befiehlt, etwa dass nur er selbst dem Opfer helfen dürfe; dass dezentrale Rechtsdurchsetzungsangebote grundsätzlich verboten seien; dass der Staat deshalb seine Schutzfunktion mit flächendeckenden Kontrollen und weitreichenden Freiheitsbeschränkungen perfektionieren müsse; dass dies mit zwangsweise durchgesetzten Abgaben finanziert werden müsse; dass man sich gegen all dies nicht wirklich wehren dürfe, ausser wiederum über die sogenannten „Rechtswege“ des Staates selbst; etc. etc. – Dann zeigt sich, wie spürbar handfest Absurdität werden kann.

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