Steuerbetrug in ganz grossem Stil
David Dürr - eigentümlich frei November 2018
Die EU-Kommission liess kürzlich verlauten, man müsse noch viel energischer gegen grassierenden Steuerbetrug vorgehen. Vor allem im Bereich der Mehrwertsteuer sollen den EU-Staaten Milliarden entgehen. Zu Mehrwertsteuerbetrug, so liest man auf der EU-Website, komme es immer wieder dadurch, „dass ein Unternehmen, das seinem Käufer Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt hat und diesen Betrag an die Steuerbehörde abführen müsste, dies nicht tut, sondern stattdessen verschwindet.“ Es gebe da ganze Banden, die dieses „Missing Trader-System“ in grossem Stil betreiben und sich so Milliardenbeträge unter den Nagel reissen. Allein für Deutschland wohl an die 20 Milliarden pro Jahr.
Nun liegt, genau besehen, die Betrügerei nicht darin, dass diese Gauner die Mehrwertsteuer nicht abliefern, sondern dass sie sie erheben. Denn der Schaden des arglosen Endkäufers liegt ja nicht darin, dass der Staat nichts bekommt, sondern dass man ihm, dem Endkäufer, etwas wegnimmt. Der Vorwurf des Betrugs gemäss § 263 Absatz 1 des Strafgesetzbuches richtet sich denn auch nicht gegen denjenigen, der etwas nicht zahlt, sondern der etwas bekommt; und zwar indem er „in der Absicht, sich … einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher … Tatsachen einen Irrtum erregt“. Genau dies tut der kriminelle Verkäufer, indem er so tut, wie wenn der in Rechnung gestellte Mehrwertsteuerbetrag völlig korrekt für den Staat bestimmt wäre. Der arglose Käufer verfällt dem Irrtum, dies zu glauben, und leistet getreulich die Zahlung.
Genau das gleiche Problem stellt sich nun aber auch beim Staat. Er ist es, der das Fundament für diese Gaunerei erst in die Welt setzt. Er richtet eine flächendeckend durchprofessionalisierte Organisation ein, die nichts anderes bezweckt, als immer dann, wenn irgendwo in diesem Land ein Kaufpreis oder ein Dienstleistungsentgelt fliesst, sich ein Stück davon abzuschneiden, in Deutschland nicht weniger als 19%, immerhin ein Fünftel. Und dies nicht etwa weil der Staat ein Fünftel des Kaufgegenstands oder der Dienstleistung selbst erbringen würde, sondern einfach so. Einfach weil das Geld gerade fliesst und man gerade zugreifen kann – sozusagen bei der Gelegenheit, die bekanntlich Diebe macht. Das offizielle Steuerrecht verwendet denn auch den bemerkenswerten Fachbegriff der „voraussetzungslosen Abgabe“. Ja Sie lesen richtig: „voraussetzungslos“. Oder in leichter Abwandlung des Bibelworts: „Wer hat, dem wird genommen.“
Trotz dieser Voraussetzungs- beziehungsweise (was dasselbe ist) Grundlosigkeit tut der Staat dann aber trotzdem so, wenn wie das alles wohl begründet wäre. Er spricht dann bedeutungsschwer von Volkswillen, Demokratie etc., was natürlich reine Fiktionen sind. Oder wurden Sie je schon einmal gefragt, ob Sie einen Fünftel eines jeden Kaufpreises einfach so für das Finanzamt noch draufzahlen wollen? Und so verfallen Millionen von arglosen Menschen dem Irrtum, es gehe da um eine völlig korrekt dem Staat geschuldete Abgabe, und leisten getreulich die Zahlung.
In Deutschland kommen da pro Jahr satte 250 Milliarden zusammen. Gemäss § 263 Absatz 3 des Strafgesetzbuches wird besonders streng bestraft, wer die Tat „gewerbsmässig oder als Mitglied einer Bande“ begeht, „einen Vermögensverlust grossen Ausmasses herbeiführt“ oder „seine Befugnisse … als Amtsträger … missbraucht.“