Muppet Show der Null-Toleranz

David Dürr – eigentümlich frei Mai 2021


Es scheint derzeit ein hoffnungsvolles Verhaltensmuster zu geben, das sich sowohl in Deutschland (neulich in Kassel) wie auch in meiner Schweiz (neulich in Liestal) und auch in anderen Ländern beobachten lässt: Während Corona-Massnahmen dauernd verlängert, bisweilen gar verschärft und ihre gesundheitlich kontraproduktiven Wirkungen immer offensichtlicher werden, wird die Geduld von Familien, Gewerbetreibenden oder Kulturschafenden immer kleiner. Und siehe da, es kommt zu immer grösseren Demonstrationen. Ein gutes Zeichen – offenbar findet die sonst so dehnbare Untertanen-Genügsamkeit irgendwo doch noch ihre Grenzen.

Zu diesem Verhaltensmuster scheint auch zu gehören, wie die Ordnungskräfte reagieren, nämlich durchaus vorsichtig. Sie stehen zwar mit völlig überdimensionierten Aufgeboten und eher grotesken Kampfmonturen bereit, greifen aber höchstens punktuell und eher behutsam ein. Angesichts der überraschend grossen Demos gilt offensichtlich die Devise, keine Eskalationen zu provozieren. Herr der Lage ist die Polizei nur noch insoweit, als sie die Lage Herr sein lässt. Auch dies kein schlechtes Zeichen – denn offenbar ist doch noch etwas dran an jener verfassungsrechtlichen Devise, wonach alle Macht vom Volk ausgehe.

Mit zu diesem Verhaltensmuster gehört natürlich jeweils auch der pflichtgemässe Aufschrei der staatstragenden Medien: Da habe es an diesen Demos gegen die Maskenpflicht doch tatsächlich Demonstranten ohne Masken gegeben! Und bei diesen Demos gegen Abstandsvorschriften doch tatsächlich Leute Hand in Hand! Was diese Demonstranten da so taten, das sei ja, man wagt den Frevel fast nicht auszusprechen: VERBOTEN! Was die sich da getrauen! Richtig keck! Doch auch dies kein schlechtes Zeichen – denn offenbar kommt nicht einmal die vierte Staatsgewalt umhin, vom Mut der Bürger Kenntnis zu nehmen.

Umso schärfer schiesst sie sich dann eben – auch dies strikt nach Verhaltensmuster – auf die Polizei ein: Warum bloss, so die vorwurfsvolle Frage, habe diese nicht dafür gesorgt, die Covid-Schutzauflagen durchzusetzen; da gehe es doch immerhin um dieses aggressive Killer-Virus, vor allem mit der Mutation X, oder gar Y, wenn nicht sogar Z. Die Polizei erklärt dann aber gar nicht unvernünftig, man wäge da jeweils taktisch ab, gewalttätige Ausschreitungen seien der Gesundheit ja auch nicht eben förderlich. Auch dies ein Hoffnungsschimmer – denn offenbar findet das in juristischen Lehrbüchern nachlesbare Verhältnismässigkeitsprinzip auch in der Praxis etwas Widerhall. 

Doch am Schluss erfährt das Verhaltensmuster doch noch einen Dämpfer: Jetzt tritt ein Menschenschlag besonderer Art auf das Tapet, die sogenannten Politiker*innen. Für sie spielen die Nöte der Bevölkerung keine Rolle, auch eine vernünftige Güterabwägung ist nicht ihr Ding. Forsch treten sie vor die Kameras des ganzen Landes und holen, demonstrativ vorbildlich maskiert, zur ganz grossen Schelte aus: Solche Demonstranten seien Verbrecher und gehören bestraft, der Polizeichef müsse abtreten und das zuständige Regierungsmitglied erst recht. Null-Toleranz ist die Devise! 

Aber auch dem lässt sich doch Positives abgewinnen – denn ist sie nicht lustig, diese Politiker*innen-Muppet Show aus munter tanzenden Maskenfratzen! Wie diese kreuz und quer sich blähen, hin und her sich knittern, wie sie straff und streng sich spannen bis müd und schräg verrutschen! Und wie sie den grossen Vorteil haben, dass man das durch sie Gesprochene meist gar nicht recht versteht. Das macht sogar «Null-Toleranz» erträglich.


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