Sollen Politiker haften?
David Dürr – eigentümlich frei / Juni 2022
Haftung der Politiker – ein Thema, das immer wieder hochkommt und zunehmend auch konkretere Anlässe findet; etwa wenn Politiker einfach so Atomkraftwerke stilllegen und damit Milliarden vernichten, oder wenn sie die zum Überdruss bekannten Milliardenschäden durch Corona-Massnahmen anrichten, oder wenn sie für den Bau eines Flughafens, der normalerweise eine bis zwei Milliarden kosten würde, gleich noch fünf weitere Milliarden hinterherwerfen; und nicht etwa Milliarden aus ihren eigenen, eher klammen Taschen, sondern aus denen der Steuerzahler.
Sollen Politiker für diese gigantischen Schäden denn nicht haften? Etwa so, wie Wirtschaftsleute haften, wenn sie das Gleiche in ihrer Funktion als Manager, Aufsichtsräte, Wirtschaftsprüfer vorsätzlich oder fahrlässig anrichten. Etwa so wie demnächst wohl im Gerichtsfall Wire Card. Sollen Politiker nicht genauso haften?
Eigentlich eine merkwürdige Frage. Denn gibt es irgendeinen Grund dafür, dass sie für diese Schäden nicht haften sollen? Ausser eben, dass sie Politiker sind und es deshalb zustande bringen, nicht nur diese Schäden anzurichten, sondern auch eine sogenannte «Rechtsordnung» einzurichten, die dafür sorgt, dass sie nicht haften.
Eigentlich eine merkwürdige «Rechtsordnung», die eine Haftung nicht vom Verhalten, sondern von der Person des Täters abhängen lässt; die bei der gleichen Missetat die einen zur Rechenschaft zieht und die anderen laufen lässt; private Entscheidungsträger und Manager für ihre Vergehen haften lässt, Politiker und Beamte aber nicht. Demgegenüber macht eine wahre Rechtsordnung wie beispielsweise das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) keine solchen Unterschiede. Sie statuiert nicht nur ganz allgemein:
«Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.» (§ 823 BGB)
sondern behandelt auch die staatlichen Akteure gleich:
«Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.» (§ 839 BGB)
Das stammt noch aus dem Jahr 1900, als man mit dem neuen BGB nicht staatliches «Recht» verordnet, sondern natürlich gewachsenes Recht aufgezeichnet hatte. Doch später, im Jahr 1949, als der Staat längst seine Unschuld verloren und sein wahres Gesicht gezeigt hatte, grätschte er mit seinem neuen Grundgesetz (GG) dazwischen:
«Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht.» (Art. 34 GG).
Das klingt so, als ob der Staat sich nun grosszügig als solventer Schuldner vor seine Beamten stellen würde, sodass die Geschädigten zu ihrem Geld kommen. In Tat und Wahrheit nimmt er bloss seine Beamten und Politiker aus der Schusslinie und sorgt im Übrigen dafür, dass die von ihm bezahlten Gerichte allfälligen Staatshaftungsklagen nicht wirklich faire Chancen lassen.