Weltkartell der Schutzgelderpresser

David Dürr – eigentümlich frei Juni 2021


Diese gewaltbereiten Gangs, die uns weltweit mit Schutzgelderpressungen terrorisieren und sich dabei so dezent «Staaten» nennen, unternehmen wieder einmal einen Kartellisierungsschub. Gute Beziehungen untereinander pflegten sie schon immer, doch sollen diese jetzt noch enger werden. Bis anhin halfen sie einander einfach mit sogenannter Rechtshilfe aus: Wenn etwa Leute aus dem Territorium der einen Schutzgelderpressungs-Gang (oder kurz: SGEG) ihr Geld im Territorium einer anderen SGEG versteckten, so hat diese dies jeweils der anderen SGEG gemeldet. Diese konnte dann den ertappten Schutzgeldflüchtling nur umso kräftiger schröpfen, das heisst ihm nebst dem hinterzogenen Schutzgeld samt Zinsen auch noch zusätzliches Strafschutzgeld abknöpfen und ihn gerne auch noch als asozialen Egoisten an den öffentlichen Pranger stellen.

Trotz dieser grundsätzlich guten Zusammenarbeit der SGEG kam es aber auch immer wieder zu gewissen Rivalitäten zwischen ihnen. So versprachen sich einzelne SGEG einen Vorteil daraus, die Leute und vor allem auch die grossen Firmen in ihrem Territorium etwas weniger stark zu schröpfen als SGEG in anderen Territorien. Auf diese Weise nahmen sie kurzfristig zwar etwas weniger ein, doch langfristig verlegten immer mehr grosse Firmen ihren Sitz zu diesen moderateren SGEG, was diesen insgesamt dann mehr einbrachte. Dadurch entstand so etwas wie ein Wettbewerb zwischen den SGEG um möglichst gute Schutzgelderpressungsopfer. Und weil Wettbewerb etwas Anstrengendes ist, trübte dies das sonst so gute Einvernehmen zwischen den SGEG.

Schon bald wurde die Tonalität der besonders raffgierigen Gross-SGEG gegenüber den moderateren SGEG zunehmend gereizt und im Formulieren der Vorwürfe kreativ: Das sei ja reines Schutzgeld-Dumping, tönte es kürzlich lautstark seitens der Schutzgeld-Ministerin Yellen der US-amerikanischen SGEG. Das englische Wort «Dumping» bedeutet auf Deutsch so viel wie «hinschmeissen». Dumping-Preise sind Schleuder-Preise für Ware, die man loswerden will, die man auf den Verkaufsladen wirft für fast gar nichts. Also ist Schutzgeld-Dumping so etwas wie der Vorwurf, dieses ach so einträgliche Erpressungspotenzial einfach ungenutzt hinzuschmeissen; dieses kostbare Privileg zum Abschröpfen der grossen Firmen einfach mir nichts, dir nichts fahren zu lassen. 

Der Vorwurf scheint zu wirken im Kollegenkreis der SGEG. Der Schutzgeld-Ministerin Yellen pflichten die Schutzgeld-Chefs anderer grosser SGEG – der sogenannten G 20 – eifrig bei. Wenn es nach ihnen ginge, sollte die Abschröpfquote bei grossen Firmen nicht unter ein Drittel des jeweiligen Jahresgewinns fallen. Kleinere SGEG wie beispielsweise Irland oder Zypern würden sich demgegenüber mit einem Achtel begnügen. Wieder andere finden, ein Fünftel sei doch – man beachte wiederum die kreative Wortwahl – ein «fairer Mittelweg». Jedenfalls scheint sich ein Kompromiss abzuzeichnen und dem Vernehmen nach soll schon bald ein Mindestsatz verbindlich fixiert sein (höhere Sätze bleiben natürlich allemal erlaubt). Und insgesamt verspreche man sich von dieser Kartellisierung rund 100 Milliarden Euro an zusätzlichen Schutzgeld-Einnahmen pro Jahr.

Der fixierte Mindestsatz soll übrigens nur für die ganz grossen Firmen gelten, die man ohnehin stärker kontrollieren müsse – angesichts ihrer ständigen Tendenz, mit ihrer Marktmacht den Wettbewerb auszuschalten.


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