Das Märchen vom Gewaltmonopol

David Dürr – eigentümlich frei / März 2025




Gewalttaten wie jene in Mannheim, Magdeburg und neustens in Aschaffenburg lassen nebst migrationspolitischen Debatten zunehmend auch solche über das staatliche Gewaltmonopol aufkommen. Der Staat, so hört man etwa, vernachlässige eine zentrale, ja die allerwichtigste seiner Kernaufgaben, nämlich die Leute vor Gewalt zu schützen. Das Gewaltmonopol bedeute nicht einfach, dass die Bürger auf gewaltsame Selbstjustiz verzichten, sondern dass der Staat als vertragliche Gegenleistung die Pflicht übernehme, sein Gewaltmonopol zum Schutz der Bürger einzusetzen. Lässt es der Staat nun aber zu, dass solche Gewaltverbrechen immer wieder und zunehmend geschehen, so verletze er den mit den Bürgern geschlossenen Vertrag.

Nur, ob es diesen Gewaltmonopol-Vertrag überhaupt gibt, wird bei alledem nie debattiert. Das ist erstaunlich; denn die Narrative zu seiner Herleitung sind – gelinde ausgedrückt – nicht wirklich schlüssig, um nicht zu sagen hanebüchen.

Eines dieser Narrative stützt sich auf Artikel 20 Absatz 2 des Grundgesetzes, der mit dem Satz beginnt «Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.» Das heisst eigentlich nur, dass die Staatsgewalt nicht in sich selbst gründe, sondern vom Volk an den Staat delegiert werde. Staatsgläubige Schlaumeier wollen darin aber noch etwas weitergehendes lesen, nämlich dass das Volk damit seine eigene Gewaltzuständigkeit abgebe.

Diese doch recht kreative Interpretation stützt sich ihrerseits auf ein anderes, ein historisch prominentes Narrativ, nämlich dasjenige von Thomas Hobbes in seinem Buch «Leviathan»: Um zu vermeiden, dass die Menschen in permanentem Bürgerkrieg sich gegenseitig abschlachten, brauche es einen allerstärksten, furchteinflössenden, bis an die Zähne bewaffneten obersten und einzigen Gewaltinhaber, so wie die mythologische Schreckensgestalt des Drachenwesens Leviathan. Geschrieben wurde dieses Buch 1651 während des englischen Bürgerkriegs zwischen Monarchisten und Parlamentaristen. Thomas Hobbes gehörte der Partei der Monarchisten an und erfand deshalb das Märchen vom Monarchen, den es brauche, um den Krieg zu beenden, den der gleiche Monarch gerade daran war, gegen seine politischen Gegner zu führen.

Ein durchsichtiges parteipolitisches Pamphlet also, das den Monarchisten denn auch nicht wirklich half; am Schluss des Bürgerkriegs wurde der König geköpft und die Königsherrschaft abgeschafft. Allerdings nur vorübergehend; kurz darauf war die Monarchie wieder da und mit ihr auch wieder das Märchen von der Notwendigkeit eines furchteinflössenden Leviathans mit Gewaltmonopol. Und es hat sogar die Monarchie überlebt, dieses Märchen. Es wird noch heute, beim sogenannt demokratischen Staat, erzählt und geglaubt. Noch heute wird allen Ernstes behauptet, man habe das Recht zur notfalls gewaltsamen Selbstverteidigung ein für alle Mal diesem Gewaltmonopolisten namens Staat übergeben.

Nur darf man sich dann nicht wundern, wenn dieser Staat sich genau so verhält, wie es sich für einen Monopolisten gehört: Er missbraucht sein Gewaltmonopol für seine eigenen Interessen, etwa wenn er mit Polizeigewalt gegen sogenannte Steuerhinterzieher oder Staatsleugner vorgeht; wenn er aber das tun müsste, womit er sein Monopol begründet, nämlich die Menschen vor Gewalt zu schützen, dann ist er gerade mit wichtigeren Dingen beschäftigt wie Diversität, Inklusion und Klimaschutz.

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