TINA

David Dürr – eigentümlich frei / April 2024


Über eine wirkliche Alternative für die Alternativen

Nein, hier ist nicht von der Rock-Legende Tina Turner die Rede, sondern von einem Ausspruch, den man Margret Thatcher nachsagt: There Is No Alternative! abgekürzt TINA – es gibt keine Alternative. Damit meinte die damalige britische Regierungschefin, es gebe keine Alternative zu einer konsequent liberalen Wirtschaftspolitik. Das war nicht nur ein freiheitliches Bekenntnis, sondern auch ein Wortspiel insofern, als Liberalität nichts anderes bedeutet als grundsätzliche Offenheit für immer wieder neue Alternativen. Die linken Gegner Margret Thatchers, Labour und Gewerkschaften, deuteten das TINA-Prinzip natürlich um zum Schimpf- und Spottwort gegen den angeblich sturen Wirtschaftsliberalismus. – So viel zum oft missverstandenen liberalen TINA-Prinzip.

Von solch liberaler Wirtschaftspolitik ist heute leider nicht mehr viel geblieben, schon gar nicht in Deutschland. Trotzdem erfreut sich das Schlagwort TINA noch immer der Beliebtheit, wenn nun auch mit umgekehrter Bedeutung: War es ehemals eine erfrischend liberale Devise, so ist es heute ein trotziger Kampfbegriff des antiliberalen Hauptstroms. Keine hat TINA so gern, so oft und so beliebig verwendet wie Angela Merkel. Vor allem wenn wirklich offene Debatten zwischen Alternativen angezeigt gewesen wären (wie beim Euro-Rettungsschirm, bei der Atomenergie oder bei der Migrationspolitik), sollte das Regierungsprogramm «alternativlos» sein, sollten lästige «Diskussionsorgien» keinen Platz haben. – Dies das parteipolitisch bornierte TINA-Prinzip.

Immerhin liess auch hier der Spott nicht auf sich warten: «alternativlos» erhielt die Ehre, zum offiziellen Unwort des Jahres 2010 gekürt zu werden. Allerdings hat dies die antiliberale TINA-Kultur leider nicht gebremst, sondern eher noch prominenter gemacht. Das antiliberale TINA ist mittlerweile zur ultimativen Devise der Staatsführung geworden: Es darf zu denen, die heute das Sagen haben, keine Alternative geben. Staatsführung ist zum abgeschotteten Staatsführungskartell geworden. Das bekommen jene zu spüren, die mutig und kreativ genug sind, in Alternativen zu denken und dies auch offen im Parteinamen zu deklarieren. Diese mögen im demokratischen Prozess noch so erfolgreich sein, bei Wahlen noch so viele Stimmen sammeln, das Staatsführungskartell hingegen mauert; und dies im Sinn des Wortes, mit streng bewachten Brandmauern. Auch orchestriert es Massenaufmärsche zur Diskreditierung politischer Alternativen. Alles altbewährte Instrumente zur Durchsetzung landesweiter Uniformität. – Dies das totalitäre TINA-Prinzip.

Dass die AfD hiergegen ankämpft, ist ja erfreulich, doch anderseits will auch sie Regierungsfunktionen übernehmen. Damit würde sie – sollte sie sich durchsetzen –ebenfalls Teil des Staatsführungskartells. Zwar wäre bei einer AfD-Regierung zu erwarten, dass sie die bürgerferne Woke-Politik des heutigen Politestablishments nicht fortführt, sondern eine andere Migrations-, Euro- oder Energiepolitik verfolgt. Doch in einer Hinsicht wird sie wohl die gleiche Alternativlosigkeit vertreten, nämlich diejenige des Staates als ultimativer Führungsinstanz über Land und Leute. – Das etatistische TINA-Prinzip.

Von grundsätzlichen Alternativen wie beispielsweise einer zentrumslosen, im Sinn des Wortes an-archistischen Gesellschaftsordnung wird die AfD wohl wenig halten. Dass dem Staat nur diejenigen zugehören sollen, die dies freiwillig wollen, während sich die anderen alternativ organisieren können, wird kaum die Alternative der AfD sein.  – Aber vielleicht tue ich ihr auch Unrecht. 


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