Despotische Herrscher – was denn sonst!
David Dürr - eigentümlich frei 01.06.2017
Über die seltsame Naivität der Staatsfans
Allenthalben blankes Entsetzen über despotische Herrscher: Wie rücksichtslos agiert doch dieser hinterlistige Putin, wie ungestüm der grobschlächtige Trump, wie brutal der machtbesessene Erdogan, wie verbissen der zynische Maduro, wie durchtrieben der grobe Orban, wie schrill der krankhafteJong-un, wie verlogen der herzlose Al-Assad! – Da muss wohl irgendetwas völlig schief gelaufen sein! Am Anfang der Macht dieser Despoten stand doch das Volk, das sie gewählt hat. Also müsste doch eigentlich das demokratische Korrektiv gespielt haben.
Aber nein doch, rein gar nichts ist da schief gelaufen. Das lief präzis nach Drehbuch. Es kam genauso, wie es kommen musste: Wenn das Volk fast seine ganze Macht an einen obersten Herrscher abgeben muss, ist es nur eine Frage der Zeit, bis dieser seine Macht missbraucht und zum selbstherrlichen Despoten wird. Es mag vielleicht schon – selten genug – vorgekommen sein, dass in gewissen Ländern und zu gewissen Zeiten auch einmal ein guter Herrscher oder eine vernünftige Regierung das Zepter führte, doch besonders lange hat dies nie gedauert. Noch immer haben schon bald die Macht der Herrscher zu- und die Freiheit der Untertanen abgenommen.
Das Problem sind nicht die vielleicht zweifelhaften Charaktere eines Wladimir, eines Donald, eines Recep, eines Nicolás, eines Viktor, eines Kim oder eines Baschar, sondern dass man einen Thron hinstellt, der demjenigen, der sich darauf setzt, ein Machtmonopol über das ganze Land mit Abermillionen von Menschen verleiht. Ein solcher Thron zieht Leute an, die sich darauf freuen, über andere Menschen zu herrschen. Und sollten einmal ausnahmsweise Edlere darauf zu sitzen kommen, wird es nicht lange dauern, und auch sie bekommen Freude an der Beherrschung ihrer Untertanen oder werden von herrschaftsfreudigeren Hardlinern vom Thron gedrängt.
So erstaunt es nicht, dass staatliche Herrscher ihre Macht ohne Hemmung auch gegenüber denjenigen ausüben, die sie gar nicht gewählt haben. Am Abend der meist knappen Wahl erklären sie jeweils, sie seien nun der Präsident aller Russen, aller Amerikaner, aller Türken, aller Venezolaner, aller Ungarn, aller Nordkoreaner oder aller Syrer und erwecken damit den Eindruck, dies sei nun eine besonders versöhnliche Geste. In Tat und Wahrheit ist es eine bemerkenswert unverblümte Anmassung, auch diejenigen zu beherrschen, die sich für einen anderen Herrscher entschieden haben.
Trotz all dem reden unbeirrbare Etatisten dieser institutionalisierten Despotie das Wort mit dem Argument, es gebe ja noch wirkungsvolle „Checks and Balances“. Etwa die „Rule of Law“, wonach sich der Herrscher allemal ans Gesetz halten müsse, oder die Gewaltenteilung mit unabhängigen Richtern; das Risiko zu starker Staatsmacht bestehe zwar, doch sei dafür gesorgt, dass es nicht gleich zur Despotie wird. – Indes: Das Gesetz, an das sich der Staat so getreulich hält, macht er ja selbst; und ebenso stellt und bezahlt er die Richter, die Konflikte beurteilen, bei denen er selbst Partei ist. Checks and Balances?
Kurzum: Wenn eine derartige Fehlkonstruktion hinterlistige, grobschlächtige, machtbesessene, zynische, durchtriebene, krankhafte oder herzlose Despoten hervorbringt, darf man sich nicht wundern.