Der König amüsiert sich – Higgs ist geil!

David Dürr - Die Zürcherin 30.10.2012


Wenn sich der König amüsiert, wenn er sich typisch königlich amüsiert, dann tut er es arrogant, überheblich und auf Kosten seiner Untertanen – nachzulesen in Victor Hugos „Le roi s’ amuse“ und nachzulauschen in Verdis „Rigoletto“. Der König und seine Entourage feiern Orgien mit ausgelassenen Frivolitäten, die Opfer dazu werden aus dem Volk genommen, das im Übrigen aus weiter Ferne dem bunten Treiben zuschauen darf.

Das war früher so. heute ist das ganz anders, schon nur weil es bei uns im sogenannt demokratischen Mitteleuropa ja keine Könige mehr gibt.

Und doch kam mir kürzlich der überhebliche Hofstaat mit seinen Privatvergnügen auf Kosten der zuschauenden Untertanen in den Sinn, als ich vom Higgs-Teilchen hörte und Bilder davon sah, die mich an spektakuläre königliche Feuerwerke erinnerten. Da seien doch tatsächlich – hiess es – Spuren von Elementarteilchen mit einer Masse von 125 bis 126 Gigaelektronenvolt entdeckt worden. Das müssen Sie sich einmal vorstellen: nicht 124 Gigaelektronenvolt, das ginge ja noch, nein es waren 125 bis 126; das ist doch schlicht und einfach – sorry – geil, oder wie sie das dort nennen: schlicht und einfach Higgs!

„Cern“ heisst jener Forschungs-Hofstaat. Das steht für „Conseil européen pour la Recherche nucléaire“. Die besten der besten Nuklearforscher sind dort seit Jahrzehnten mit riesigen Stäben, gewaltiger Infrastruktur und gigantischer Technik an Projekten, die – na ja – sie selbst ganz brennend interessieren, sonst allerdings nur wenige. Das wäre auch nicht weiter schlimm. Im Gegenteil, entbehrungsreicher Forscherdrang ist löblich und die faustische Suche nach solch letzten Naturzusammenhängen ja auch faszinierend. Das Problem ist nur, dass das Cern-Team seinen Forscherdrang mit offensichtlich orgastischer Lust geniesst, die entsprechenden Entbehrung aber anderen überlässt, den Steuerzahlern, den Untertanen eben. Keiner von diesen wurde je gefragt, ob er von seinem entbehrungsreich verdienten Geld etwas an jene Forschungsvergnügen abliefern wolle.

Und das ist nicht wenig. Da geht es nicht um einige Saläre genügsamer Forscher mit etwas Labor und Gerätschaft. Da geht es um eine Organisation mit mehr als 3‘000 fest angestellten Mitarbeitenden und noch mehr Forschungsgästen; und es geht nebst anderen es um ein bauliches Projekt in einer Dimension, wie man es hierzulande seit überdimensionierten Verteidigungsbunkern des kalten Kriegs nicht mehr gesehen hat: eine 27 Kilometer lange unterirdische Rundrennstrecke aus Stahl und Beton für Nukleargeschosse, die mit bislang unerreichter Präzision und annähernd mit Lichtgeschwindigkeit aufeinander losgelassen werden. Die Anlage soll 6,5 Milliarden gekostet haben, die laufenden Jahresbudgets betragen jeweils rund 1 Milliarde. Auch wenn sich die Finanztransparenz des Cern in Grenzen hält, lässt sich mit Bestimmtheit nachrechnen, dass sein lustvoller Forscherdrang die Untertanen bis anhin Entbehrungen von weit mehr als 10 Milliarden (10‘000‘000‘000) Franken gekostet hat. Diese Gelder eingetrieben haben je in ihren Stammlanden die Obrigkeiten der Schweiz, Deutschlands, Frankreichs, aber auch von so spenadblen Ländern wie Griechenland, Spanien, Portugal und Italien, nebst weiteren.

Irgendwie amüsiert sich der König also noch immer, noch immer tut er dies auf Kosten des Volkes und noch immer darf dieses dem bunten Treiben aus weiter Ferne zuschauen. Wie eben kürzlich, als es via TV-Life-Schaltung einen seltenen Blick ins Innere des Cern werfen konnte, wo man gerade daran war, die Entdeckung der Higgs-Spuren zu feiern. Forscher lagen sich begeistert in den Armen, Champagner-Korken knallten – wie einst am Hof! 

Zurück zu den Medien