Eine Mehrheit für die Pizza-Steuer
David Dürr - Basler Zeitung 19.06.2015
Fanden Sie das auch so absurd? Diese Abstimmung am letzten Wochenende über die neue Fernsehsteuer. Da lag es doch tatsächlich an einem hauchdünnen Mehr von 3‘696 Stimmen, dass nun inskünftig mehr als 8 Millionen Leute und ungefähr 130‘000 Unternehmen eine Steuer zahlen müssen, die irgendwo zwischen 400 und zig-Tausend Franken liegt, je nachdem wonach dem Bundesrat gerade der Sinn steht; und dies auch dann, wenn diese Leute und Unternehmen weder einen TV noch einen Radio haben. Absurd, nicht?
Sogar doppelt absurd. Zum ersten deshalb, weil es gar keine Mehrheit, sondern eine kleine Minderheit war. Es stimmten nur gerade 1‘128‘369 Leute dafür, was ganze 14% der Landesbevölkerung ausmacht, und doch gilt die neue Steuer auch für die anderen 86%. Und zum zweiten deshalb absurd, weil nicht einzusehen ist, warum überhaupt eine irgendwie definierte Mehrheit der Minderheit ihren Willen aufzwingen soll.
Stellen Sie sich einmal vor, zwanzig Sportsfreunde fragen sich abends nach dem Training, ob man noch etwas essen geht. Fünf zieht es in die Pizzeria, vier haben Lust auf ein Birchermüesli im Café, einer freut sich auf gute Resten zu Hause und die verbleibenden zehn haben gerade ein anderes Gesprächsthema, zum Beispiel den neusten Kinostreifen. – Jetzt soll mir mal jemand erklären, weshalb nun alle zusammen zwingend in die Pizzeria gehen müssen! Oder noch grotesker: Warum zwar nicht alle in die Pizzeria müssen, aber trotzdem jeder einzelne eine Pizza bezahlen muss! Auch derjenige, der ein Birchermüesli isst, auch derjenige mit den Resten zu Hause und auch jene anderen, die vielleicht überhaupt keinen Hunger haben und lieber ins Kino gehen.
Auf eine derart blöde Idee kommt ja wohl niemand. – Niemand? Doch, die Pizzeria kommt darauf. Und ebenso diejenigen, die in der Pizzeria einen Job haben. Vielleicht hat es ja solche unter den Sportskollegen. Und dann natürlich jene fünf, die gerne Pizza essen. Sie alle haben ein nahe liegendes Interesse, dass alle zwanzig eine Pizzasteuer zahlen, auch die Birchermüesli-, die Resten- und die Garnichtesser. Nur – werden Sie jetzt sicher sagen – rechtfertigen lässt sich dies ja nicht.
Und ob es sich rechtfertigen lässt! Der Pizzeria jedenfalls und den Pizzaliebhabern fallen interessante Gründe für die Pizzasteuer ein: Eine gut gemachte Pizza ist nämlich nicht einfach gut, sondern sie gewährleistet nichts Geringeres als eine ausgewogene Grundversorgung aller Sportfreunde mit sinnvoller Nahrung. Die Leute wissen ja oft selbst nicht, was ihnen gut tut. Ständig nur Birchermüesli zu essen, wäre doch etwas gar einseitig. Resten zu Hause könnten ja verdorben sein. Oder gar überhaupt nichts zu essen, würde schlicht zum Hungertod führen. – All diese schrecklichen Konsequenzen lassen sich vermeiden mit einer minuziös austarierten Pizza für alle. Auf ihr hat es milden Mozzarella und scharfe Sardellen, biologische Tomaten und währschaften Schinken, weiche Oliven und knusprigen Rand. Und sollten einmal die Fleischesser zu viel Vegi ausmachen, so wird eine unabhängige Pizza-Beschwerdekommission dafür sorgen, dass das inskünftig nicht mehr vorkommt.
Wenn das nicht ein wertvoller Dienst an der ganzen Gemeinschaft der Sportsfreunde ist! Oder noch etwas wichtiger auf Französisch ausgedrückt: Ein unverzichtbarer Service public.