Hofknicks im Château

David Dürr - Basler Zeitung 18.10.2013


Die OECD ist eine sehr edle, von 34 Mitgliedstaaten getragene Organisation. Sie residiert im eleganten Château La Muette, das während langer Zeit als Residenz der französischen Königsfamilie gedient hatte. Und gleich wie schon die Könige immer nur eines wollten, nämlich das Wohl ihrer Untertanen, so hat sich auch die OECD zum Ziel gesetzt, für das Glück aller Menschen zu sorgen. So steht es in ihrer Satzung: „to promote … the well-being of people around the world“ – schön, nicht?

Auch die Kosten dieses Hofstaates und deren Finanzierung sind königlich. Nicht weniger als 2500 Leute finden darin ein Auskommen, das Jahresbudget beträgt 350 Millionen und finanziert wird es, wie schon zu Königszeiten, aus Steuern. Erhoben werden diese Steuern durch die Mitgliedstaaten, die daraus dann ihre Beiträge an die OECD abliefern. Also setzt sich diese mit Nachdruck dafür ein, dass es mit dem Steuereintreiben immer schön klappt, dass die Untertanen getreulich ihre Abgaben abliefern, und ja nicht versuchen, etwas vor dem königlichen Auge zu verstecken.

Und damit – Sie ahnen es – kommen wir zur Schweiz. Auf sie blickt die OECD mit Kummer und Argwohn. Denn dieses Land hatte schon immer eine etwas andere Einstellung zur Steuererhebung als die französischen Könige und deren heutige Nachfolger. Da ging man nicht einfach hin und holt sich, was des Staates war, sondern betrachtete die Bürger eher als Kunden. Also glaubte man ihnen, was sie deklarierten und auch meistens stimmte. Und wenn doch einmal einer bei einer Hinterziehung erwischt wurde, musste er halt nachzahlen. Ungefähr gleich, wie wenn einer seine Miete nicht zahlt und dann halt betrieben wird. Dann muss er zwar mit Zinsen und Zusatzkosten rechnen, aber ins Gefängnis muss er deswegen nicht. Schliesslich ist er nicht kriminell, sondern bloss säumig. Und warum – so sagte man in der Schweiz – sollte es anders sein, wenn es nicht um eine Miete, sondern um eine Steuerforderung geht.

Und noch etwas verstand die OECD am Schweizer Steuersystem nicht, nämlich das Bankgeheimnis. Denn auch hier machte die Schweiz zwischen einer Steuerschuld und einer Mietzinsschuld keinen Unterschied. So wenig sie dem Vermieter erlaubte, direkt zur Bank des Mieters zu gehen und sich dort über dessen Kontenstand zu orientieren, so wenig auch dem Staat für seine Steuerforderung. Und so wenig es darauf ankommt, ob ein solcher Vermieter in der Schweiz oder im Ausland wohnt, so wenig auch, ob es der schweizerische oder ein ausländischer Steuerstaat ist. Das passte vor allem jenen Mitgliedstaaten der OECD nicht, die ein weniger zimperliches Steuerinkasso gewohnt sind, etwa den Steuergrossmächten USA, Deutschland und Frankreich.

Zur grossen Erleichterung der OECD ist diese schweizerische Besonderheit nun aber vorbei. Am letzten Dienstag schickte die schweizerische Finanzministerin einen Ambassadeur ins Château La Muette, um dort das OECD-Abkommen zur gegenseitigen Amtshilfe in Steuersachen zu unterschreiben. Damit können sich ausländische Staaten inskünftig auch in der Schweiz so aufführen, wie es schon die französischen Könige gewohnt waren. – Dabei habe ich immer gemeint, die seien in der Revolution geköpft worden. 

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