Ich kandidiere für den Bundesrat

David Dürr - Basler Zeitung 06.11.2015


Liebe SVP-Findungskommission

Da ich annehme, dass Sie regelmässig die BAZ lesen, benütze ich die Gelegenheit dieser Kolumne und unterbreite Ihnen hiermit zuhanden der SVP-Fraktion meine Bundesrats-Kandidatur. Ich bin zwar nicht Mitglied Ihrer Partei. Und mit Bundesratsmitgliedern, die dann plötzlich nicht mehr oder nur noch zur Hälfte Ihrer Partei angehörten, haben Sie ja ziemlich schlechte Erfahrungen gemacht. Ich kann Sie aber versichern, dass ich keine neue Partei gründen, sondern getreulich die SVP-Prinzipien verfol­gen werde. Sie werden Freude an mir haben.

Was meine Person anbelangt, so habe ich gehört, Ihr Kandidat sollte in der Sache ein Hardliner, in der Art aber umgänglich und freundlich sein. Das erhöhe die Wahlchancen im SVP-kritischen und mimosenhaften Bundesparlament. Da liegen Sie bei mir genau richtig. Meine umgängliche Freund­lichkeit sehen Sie ja schon im Konterfei hier oben. Und mein Hardlinertum wird, wenn ich einmal Bundesrat bin, zur Hochform auflaufen.

So werde ich bei Ihrem allerobersten Kernanliegen, das auf all Ihren Wahlplakaten stand und mit dem Sie die letzten Wahlen so eindrücklich gewonnen haben – nämlich „frei bleiben“ – absolut kom­promisslos sein. Ich werde alles, was von Bundesbern aus die Freiheit der Leute beschränkt, abstel­len. Dafür habe ich mir einen einfachen, aber höchst wirkungsvollen Kniff ausgedacht: Ich werde die Bun­deskanzlei anweisen, allen Leuten und allen Firmen im Land ein Formular zu schicken, auf dem man ankreuzen kann, ob man bei der Organisation „Schweizerische Eidgenossenschaft“ Mitglied sein will oder nicht. Selbstverständlich werden dann die allermeisten begeistert JA an­kreuzen. Denn Bundesbern, so höre ich jedenfalls immer, sei ja so nützlich, so nötig und so gut. Und indem sie dann alle JA ankreuzen, wird aus ihrer derzeit noch völlig illegitimen Zwangsmitgliedschaft eine – im Sinn des SVP-Slogans – freie und damit legitime Anerkennung staatlicher Vorschriften.

Dies wiederum lässt sich dann nahtlos auf all die anderen SVP-Anliegen anwenden, zum Bei­spiel auf die Beschränkung der Masseneinwanderung, auf die Verbote von Minaretten, Ganzkörperverhüllun­gen und Drogen, auf den obligatorischen Militärdienst, auf die planwirtschaftliche Agrarpolitik. Diese SVP-typischen Staatseingriffe sind zwar das Gegenteil von „frei blei­ben“. Doch für die vielen Leute, die bei der Staats-Mitgliedschaft JA angekreuzt haben, ist der Wider­spruch zur Freiheit behoben.

Natürlich wird es auch einige Nein-Ankreuzer geben. Unverbesserliche, die das Nützliche all dieser Staatseingriffe partout nicht einsehen wollen. Selber schuld. Dann bekommen sie diese Wohl­taten halt nicht. Wir zwingen sie ja nicht zu ihrem Glück. Und das Raffinierte daran: Indem wir sie bewusst vom Zwang befreien, all diese nützlichen Vorschriften zu befolgen, lassen wir sie genau das tun, was die SVP so innig will, nämlich „frei bleiben“.

So werden selbst SVP-Gegner letztendlich zu SVP-Bannerträgern. Und sicher schon bald zu begeister­ten Anhängern meines genialen JA-NEIN-Formulars über die Mitgliedschaft bei Bundesbern. Alle Frak­tionen werden mir ihre Stimmen geben wollen. Noch nie wird ein Bundesrat mit einer so grossen Mehrheit gewählt worden sein. Diesen Triumph, liebe Findungskom­mission, darf sich die SVP nicht entgehen las­sen. Befreien Sie sich – nominieren Sie mich! 

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